30.08.2019rss_feed

Zielkonflikte verhindern Tierwohlinvestitionen und gefährden Nutztierstrategie

Anfang Juli fand die erste reguläre Arbeitssitzung des Kompetenznetzwerkes für Nutztierhaltung in Bonn statt. Es soll die Umsetzung und Weiterentwicklung der Nutztierstrategie des Bundeslandwirtschaftsministeriums begleiten. Damit kommt das Ministerium einer Vereinbarung nach, die die regierenden Parteien in ihrem Koalitionsvertrag formuliert haben. Der Teufel steckt jedoch im Detail. Wo genau, das hat der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit seinem Gutachten Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung im März 2015 skizziert. Neben hohen Investitionskosten haben die Experten auf zahlreiche Zielkonflikte hingewiesen, die sich aus unterschiedlichen gesetzlichen Anforderungen für Tierwohlinvestitionen ergeben. Erkennbar viel passiert ist seit Übergabe des Gutachtens nicht. Im Gegenteil. Das Bundesumweltministerium hat mit dem Entwurf zur Überarbeitung der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) eine Verwaltungsvorschrift vorgelegt, die sich in der aktuellen Form als Wirtschaftsbremse und Investitionsverhinderungsvorschrift entwickeln könnte.

Das legt zumindest eine Initiative des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen nahe, das anhand realer Betriebe überprüfen ließ, ob Tierschutzinvestitionen unter den Vorgaben der aktuellen TA-Luft (ohne Einkommensverluste) oder ohne Gefährdung des Bestandsschutzes umsetzbar sind.

Ergebnis war, dass fast jede Tierwohlinvestition teure Genehmigungsverfahren erfordert und zu einer Bestandsabstockung führt. Besonders dramatisch sind die Folgen, wenn der Bestandsschutz genehmigter Tierhaltungsanlagen bei Modernisierungsmaßnahmen zu Tierwohlzwecken in Frage gestellt wird.

Hinzu kommt, dass das Bundesumweltministerium mit seiner ehrgeizigen Verwaltungsvorschrift die Nutztierhaltungsstrategie des Bundes zum Scheitern verurteilt, sollten sich die geforderten oder geförderten Maßnahmen und Haltungssysteme als nicht genehmigungsfähig im Sinne des Immissionsschutzes darstellen. Das betrifft auch Investitionen im Rahmen der neuen Tierschutznutztierhaltungsvereinbarung. Hier kollidieren schon die sehr unterschiedlichen Übergangsfristen beider Vorschriften.

Die Wirtschaft hat in zahlreichen Stellungnahmen Folgen aufgezeigt und Lösungsvorschläge angeregt. Aufgegriffen wurde davon im aktuellen TA-Luft-Entwurf kaum etwas. Dem eingerichteten Kompetenznetzwerk der Nachhaltigen Nutztierstrategie kommt somit eine Herkulesaufgabe zu. Dazu zählt auch eine intensive und fortwährende Einbeziehung aller Ministerien, um ressortübergreifend, gesetzlichen Anforderungen zum Schutz von Wasser, Luft und Umwelt hinsichtlich bestehender Widersprüche für eine gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung aufzulösen. Ohne politische Unterstützung und ohne Definition von gesellschaftlich akzeptierten Haltungssystemen als Stand der Technik in der Tierschutznutztierhaltungsverordnung sowie entsprechenden Öffnungsklauseln in der TA-Luft wird das nicht funktionieren.


Top agrar hat über die Ergebnisse des "Planspiels" in NRW ausführlich informiert. Vergleichbare Überprüfungen sind aus anderen Bundesländern nicht bekannt. Der Entwurf der TA-Luft befindet sich in der Ressortabstimmung. Der Bundesverband Rind und Schwein hat die Fraktionen angeschrieben und um Unterstützung für eine gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung gebeten. Dafür muss die TA-Luft grundlegend geändert werden.


open_in_newSpitzenverbände der Wirtschaft kritisieren Entwurf zur TA Luft

open_in_newDBV- Stellungnahme zur Novellierung der TA Luft